Mythos: Schnelligkeit muss mit Top-Speed-Training aufrechterhalten werden
Das Wichtigste in Kürze:
- Schnelligkeit kann mit wenig Aufwand erhalten bleiben.
- In meinem Fall konnte ich die Schnelligkeit erhalten, ohne maximal zu sprinten.
- Keine „fancy“ Sprintdrills wurden ausgeführt.
- Die Methode, die ich angewandt habe, waren intensive Tempoläufe mit 80-90% gefühlter Anstrengung.
- Wir stellen die Behauptung infrage, dass man maximal sprinten muss, um schneller zu werden. Wir behaupten, auch submaximale Läufe in höherem Volumen können dies bewerkstelligen.
Wie viel Aufwand ist nötig, um die Schnelligkeit zu erhalten? Muss ich maximal sprinten, um nicht langsamer zu werden? Muss ich alle mögliche Sprintdrills ausführen? Kann man mit submaximalen Läufen schneller werden? In diesem Artikel beantworten wir diese Fragen.
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Hintergrund
Die Frage, was notwendig ist, um eine Qualität zu erhalten oder zu verbessern, ist immer interessant. Denn als fortgeschrittener Athlet, Kraftsportler, Hobbybodybuilder etc. ist es aufgrund begrenzter Regenerationskapazitäten unmöglich oder sehr schwierig alle Qualitäten gleichzeitig oder in gleichem Ausmass zu verbessern, wenn man mehrere Trainingsziele hat.
Deshalb ist es nützlich zu wissen, mit wie viel Aufwand man eine bestimmte Qualität beibehalten kann, ohne unnötig viel Energie dabei zu verschwenden, die man für die Verbesserung einer oder mehrerer anderer Qualitäten brauchen könnte.
In dieser Hinsicht spielt also das Belastungsmanagement eine ausschlaggebende Rolle: du willst als Athlet und Athletin an deinen Spielen dein volles Potential abrufen können und vor allem willst du dich nicht verletzen. Dies ist die Kunst, mit der wir Athletiktrainer zu tun haben und unseren Job interessant macht; wir wollen unsere Athleten verbessern, ohne dass zu viel Müdigkeit angesammelt wird, um Verletzungen zu unterbinden und Top-Performance an den Spieltagen zu garantieren.
Wir ermüden unsere Athleten nur in einem bestimmten Ausmass mit der Prämisse Adaptationen zu provozieren, aber diese erzeugte Ermüdung zum Zeitpunkt, wenn Top-Performance gefragt ist, wieder reduziert ist. Die Tatsache, dass nicht jeder und jede gleich auf externen Reiz in Bezug auf Ermüdung und Adaptationen reagiert, macht diesen Umstand noch deutlich komplexer.
Nicht selten hört man, dass man >95% des Top-Speeds 1-2x pro Woche erreichen muss, um nicht langsamer zu werden. Ich wollte diese Behauptung infrage stellen und habe von Oktober 2022 bis Mai 2023 keine maximalen Sprints („100% geben“) gemacht und mich aufs Krafttraining fokussiert.
Manchmal hört man, dass der Top-Speed sich nach fünf Tagen ohne Training verschlechtert. Diese Aussage ist unserer Meinung nach zutreffender als die oben genannte Aussage, denn diese Aussage schliesst nicht die Notwendigkeit von maximalen Sprints ein, sondern ein Trainieren. Aber auch sie ist nicht immer wahr.
Wie viel Aufwand ist nötig, um die Schnelligkeit zu erhalten?
Ich zeige dir, was ich gemacht habe. Für mich hat es funktioniert, aber dies ist meine Anekdote und keine Studie.
Erinnere: wie jemand auf gewisse Trainingsreize reagiert ist individuell und abhängig von einigen Faktoren wie Genetik und Trainingsstand. Dennoch möchten wir unsere Meinung äussern, dass viel weniger Aufwand nötig ist, um eine Qualität zu erhalten, als die meisten denken. Also nicht nur der Erhalt von Schnelligkeit, sondern auch von Schnellkraft, Kraft, Muskelmasse, Technik etc.
Ich habe in meinem Experiment 2-3x pro Woche nach meinem Unterkörpertraining im Gym intensive Tempo-Runs ausgeführt. Ich habe mit einer gefühlten Anstrengung von 80-90% (100% bedeutet, ich versuche so schnell wie möglich zu sprinten) etwa fünf Wiederholungen x ca. 80 m absolviert, was einem Aufwand von ca. 10-15 min entsprach.
D.h. pro Woche war der Gesamtaufwand 20-45 Minuten. Nach einer Wiederholung bin ich zurück zu der Startposition spaziert und habe die nächste Wiederholung absolviert. D.h. die Wiederholungen wurden nicht im vollständig ausgeruhten Zustand durchgeführt, wie es bei einem Schnelligkeitstraining der Fall ist. 800-1200 m wurden auf diese Weise pro Woche gelaufen und immer bereits in einem ermüdeten Zustand, da ich erstens die Tempoläufe immer nach dem Unterkörpertraining geplant habe und zweitens die Wiederholungen mit beschränkter Pausenzeit ausgeführt habe.
Dies zeigt umso mehr, wie simpel es ist, eine Qualität zu erhalten. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Aufwand, der für mich funktioniert hat, mit 20-45 min pro Woche und keiner zu grosser Anstrengung gering war. Ausserdem möchte ich betonen, dass ich keine „Sprinttechnik-Drills“ gemacht habe.
Muss ich maximal sprinten, um nicht langsamer zu werden?
Wie oben erwähnt habe ich keine maximalen Sprints von Oktober 2022 bis Mai 2023 ausgeführt und ich konnte meinen Speed beibehalten. Die kurze Antwort auf die Antwort lautet also nein.
Ob dies für jedes Individuum gültig ist, können wir nicht garantieren. Die gefühlte Anstrengung war 80-90%. D.h. die Tempoläufe wurden mit einer hohen, aber nicht maximalen, Schnelligkeit ausgeführt. Ich würde schätzen, dass ich in den meisten Läufen 85-90% meines Top-Speeds erreicht habe.
Man hört manchmal, wie oben bereits erwähnt, dass der Top-Speed sich nach fünf Tagen ohne Training verschlechtert. Die Betonung liegt auf „ohne Training“ und nicht „ohne maximales Sprinten“. Wir nehmen an, dass eine gewisse Schnelligkeitsschwelle erreicht werden muss, um den Speed zu erhalten.
Nur Joggen gehen würde wahrscheinlich, behaupten wir, nicht ausreichen, um den Top-Speed zu erhalten, weil der Speed beim Joggen diese Schnelligkeitsschwelle nicht erreicht. Nun stellt sich die Frage, welchen Speed man wie oft pro Woche erreichen muss, um den Speed nicht zu verschlechtern. Wir haben darauf keine definitive Antwort.
Kann man mit submaximalen Läufen schneller werden?
Wir haben oben vorgeschlagen, dass eine gewisse Schnelligkeitsschwelle erreicht werden muss, damit der Top-Speed sich nicht verschlechtert. Wir definieren als submaximal alles, was nicht maximales Sprinten ist.
Wie oben erwähnt habe ich keine maximalen Sprints von Oktober 2022 bis Mai 2023. Obwohl mein Laufvolumen gering war, konnte ich meinen Top-Speed beibehalten. Ab Mai habe ich mich wieder auf Speed fokussiert und habe bereits im 5. Training (3. Trainingswoche) meine vorherige Bestzeit im 10-Meter-Fly geschlagen.
Unter anderem hat uns diese Tatsache dazu veranlasst, zu fragen, ob ich meinen Top-Speed sogar hätte verbessern können, wenn mein Trainingsvolumen höher gewesen wäre und/oder ich die Läufe nicht in einem ermüdeten Zustand nach dem Unterkörpertraining absolviert hätte.
Oft hört man die Meinung, dass man 95% des Top-Speeds erreichen muss, um schneller zu werden. D.h. gemäss dieser Meinung macht man kein Speedtraining mehr, wenn man langsamer als 95% des Top-Speeds läuft. Wir tendieren dazu, diese Meinung infrage zu stellen.
Wir glauben auch submaximale Läufe können dich schneller machen. Wir wissen, dass im Kraft-und Muskelaufbautraining submaximales Training zur Verbesserung führt. Warum sollte dies für die Verbesserung des Speeds nicht der Fall sein?
Denn Speed ist nicht nur neural, sondern hängt auch von den anderen Geweben (z.B. Bindegewebe) ab, welche sich auch durch submaximale Arbeit anpasst. Anekdoten sind bereits Hinweise, dass submaximales Training auch effektiv für die Verbesserung des Speeds ist. Vielleicht wird diese Hypothese in zukünftigen Studien untersucht.
In Bezug auf Ermüdung ist dies eine sehr spannende Entdeckung. Wenn wir also sowieso begrenzte Regenerationskapazitäten haben und wir zwischen zwei Methoden entscheiden können, um den Top Speed zu erhalten (oder gar zu verbessern), wobei eine davon weniger ermüdend ist, für welche entscheiden wir uns? 😉
Maximales Sprinten als Tool für die Reduzierung des Verletzungsrisiko1
Maximales Sprinten ist unvermeidbar in Spielen für Teamsportler. Um diese Athleten darauf vorzubereiten, werden sie auch im Training maximalem Sprinten ausgesetzt. D.h. maximales Sprinten ist nicht nur wichtig, um schneller und deshalb ein besserer Athlet zu werden, sondern auch aus der Perspektive des Verletzungsrisiko.
Momentan wird als Faustregel empfohlen, dass >=95% des Top-Speeds ca. 5-10 pro Woche erreicht wird. Das Verletzungsrisiko ist leicht erhöht, wenn man diese maximalen Sprints gar nicht im Training ausführt, aber auch wenn man diesen Speed zu oft erreicht, da maximales Sprinten ermüdend ist.